Weiße Privilegien, Othering und kulturelle Aneignung

Weiß sein bedeutet in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft als Norm zu gelten, als „normal“. Aber auch in nicht mehrheitlich weißen Gesellschaften bedeutet weiß sein, viele Privilegien zu haben. Privilegien sind Sonderrechte, von denen die betreffenden Personen oft gar nicht wissen, dass es Sonderrechte sind, also dass nicht einfach alle Menschen dieselben Rechte genießen. Den „normalen“ Menschen kommen ihre Privilegien ganz normal vor.

Wenn es Leute gibt, die normal sind, muss es aber auch Leute geben, die anders sind. Der Normal- Status entsteht in Abgrenzung zu dem, was als anders empfunden wird. Das Praktische daran ist, dass der Normal-Status nicht erst benannt werden braucht und dadurch unbemerkt bleibt, was ihn noch viel normaler macht. Dazu ist es nur wichtig, immer wieder zu betonen, was an anderen anders ist. Nicht bös gemeint, eh klar. Beispiele? Wenn ich sage ein Paar, dann meine ich immer ein Hetero-Paar, weil sonst würde ich ja betonen ein homosexuelles Paar. Wenn ich sage eine Frau, dann meine ich eine schlanke Frau, denn sonst würde ich ja betonen, dass sie dick ist. Und wenn ich sage ein Typ, dann meine ich einen weißen, denn sonst würde ich ja betonen, welche Hautfarbe er hat. Und zwar völlig unabhängig davon, ob das irgendwie relevant ist für meine Geschichte. Denn mit den Attributen homosexuell, dick oder Schwarz* verbinden wir auch bestimmte Vorstellungen und Vorurteile und die müssen wir immer wieder reproduzieren um uns unserer Normalität zu versichern. Dieser Vorgang, der sich auch in vermeintlich interessierten Fragen wie: „Woher kommst du?“ äußert, nennt sich auch Othering*, also Anders-Machung.

Für diese Geschichte ist wichtig, dass ich weiß bin. Überhaupt entspreche ich der typischen Vorstellung von dem, was hierzulande mit Yoga verbunden wird: cis-weiblich*, weiß, blond, ablebodied, schlank und vernarrt in stylische Yoga-Hosen. Aber ist es nicht ein bisschen seltsam, dass mein Bild, also das Bild der blonden Frau in engen Leggings und sexy Posen auf Instagram (@AnnPhieOh, follow me) das ist, was die meisten hier mit Yoga verbinden? Wie kommt das? Und wie kommt´s, dass die teuren, stylischen Yogahosen- Marken von weißen Firmeninhaber:innen verkauft werden?

Genaus so wie viele andere Praktiken, Gegenstände, Moden, Wörter etc. ist Yoga aus einer nichtweißen Kultur importiert worden und erfreut sich großer Beliebtheit. Jetzt könnte mensch* denken: „Toll, dann lernen wir hier etwas über die Kultur von woanders!“ Und irgendwie ist das auch so, aber ganz so einfach wieder nicht. Mit „wir hier“ sind nämlich immer Menschen gemeint, die in Ländern leben, die früher Kolonien hatten oder direkt davon profitiert haben. Und mit „Kulturen woanders“ die Kulturen jener Gebiete, die kolonisiert wurden und das bedeutet ausgebeutet, verdrängt und vereinnahmt. Zum Beispiel wurden wertvolle Objekte einfach gestohlen, um sie in Museen auszustellen oder Menschen verschleppt, versklavt, vergewaltigt und ermordet. Das ist lange her und eine so alte Praxis wie Yoga ist womöglich nicht erst mit der Kolonialisierung nach Europa gekommen, schon klar. Aber aus dieser Zeit hat sich so einiges gehalten, unter anderem die Angewohnheit von bestimmten Ländern, sich zu nehmen was ihnen von anderen Kulturen gefällt, während der Respekt für die Menschen, die dort leben, sehr zu wünschen übrig lässt. Denn es sind doch immer die anderen Kulturen, die, wenn auch unausgesprochen, als ein bisschen unzivilisierter, ein bisschen hinten nach, insgesamt einfach ein bisschen schlechter gelten. Was damit eigentlich gemeint ist, ist dass sie ärmer sind, also wirtschaftlich schlechter dastehen. Und darunter wiederum liegt der unausgesprochene Vorwurf, dass es ihre eigene Schuld sei, dass es an ihrer Lebensweise liege und nicht an den Verbrechen der Kolonisierung und der Wirtschaftspolitik sogenannter westlicher Länder.

2 Das führt dazu, dass bestimmte Praktiken häppchenweise angeeignet werden, sofern sie in unser Weltbild passen. Und wo sie das nicht tun, werden sie halt angepasst oder auch gerne mal völlig aus dem Kontext gerissen und verballhornt. Im Yoga gibt es zum Beispiel eine Tradition von Yogis, die einen Armutseid schwören und dann als Bettler durch die Lande ziehen. Sie werden respektiert als Menschen, die der Gesellschaft sehr viel geben, indem sie zB Menschen auf dem Weg des Yoga begleiten. Diese Praktik hat es nicht so in unser Work-Life Balance Verständnis von Yoga geschafft. Statt dessen ist Yoga aber fester Bestandteil des westlichen Ideals dünner Frauen geworden– womit es eigentlich überhaupt nichts zu tun hat.